13. Partielle und vollständige Differenzierbarkeit


 

13.1 Partielle Differenzierbarkeit

 

13.1.1 Die Kettenregel

 

Wir beginnen mit wichtigen Rechenregeln für vektorwertige Abbildung.

 

Satz: Es seien \( m,n\in\mathbb N \) und \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) sowie \( \Theta\subseteq\mathbb R^n \) offene Mengen. Ferner seien \[ y=f(x)=(f_1(x_1,\ldots,x_m),\ldots,f_n(x_1,\ldots,x_m))\colon\Omega\longrightarrow\Theta \] eine Abbildung der Klasse \( C^0(\Omega,\mathbb R^n)\cap C^1(\Omega,\mathbb R^n) \) und \[ z=g(y)=g(y_1,\ldots,y_n)\colon\Theta\longrightarrow\mathbb R \] eine Funktion der Klasse \( C^1(\Theta,\mathbb R). \) Dann gehört auch die Komposition \[ h(x):=g\circ f(x)=g(f_1(x_1,\ldots,x_m),\ldots,f_n(x_1,\ldots,x_m))\colon\Omega\longrightarrow\mathbb R \] zur Klasse \( C^1(\Omega,\mathbb R), \) und es gilt die Kettenregel \[ \frac{\partial h(x)}{\partial x_j} =\sum_{k=1}^n\frac{\partial g(f(x))}{\partial y_k}\,\frac{\partial f_k(x)}{\partial x_j}\,,\quad x\in\Omega. \]

 

Beweis

 

Wir betrachten nur den Fall \( m=1 \) und \( \Omega=(a,b)\subset\mathbb R. \) Es ist dann \[ \begin{array}{l} \displaystyle h(x)-h(\widetilde x) \,=\,\negthickspace\displaystyle g(f_1(x),\ldots,f_n(x))-g(f_1(\widetilde x),\ldots,f_n(\widetilde x)) \\ \qquad\displaystyle =\,g(f_1(x),\ldots,f_n(x)) \\ \qquad\displaystyle -\,g(f_1(\widetilde x),f_2(x),f_3(x),\ldots,f_n(x))+g(f_1(\widetilde x),f_2(x),f_3(x),\ldots,f_n(x)) \\ \qquad\displaystyle -\,g(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),f_3(x),\ldots,f_n(x))+g(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),f_3(x),\ldots,f_n(x)) \\ \qquad\displaystyle -\ldots+\ldots \\ \qquad\displaystyle -\,g(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),f_n(x))+g(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),f_n(x)) \\ \qquad\displaystyle -\,g(f_1(\widetilde x),\ldots,f_n(\widetilde x)). \end{array} \] Wir wenden den Mittelwertsatz der Differentialrechnung an und erhalten \[ \begin{array}{lll} h(x)-h(\widetilde x)\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle g_{y_1}(\eta_1,f_2(x),f_3(x),\ldots,f_n(x))\cdot\{f_1(x)-f_1(\widetilde x)\} \\ & & \negthickspace\displaystyle +\,g_{y_2}(f_1(\widetilde x),\eta_2,f_3(x),\ldots f_n))\cdot\{f_2(x)-f_2(\widetilde x)\} \\ & & \negthickspace\displaystyle +\,g_{y_3}(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\eta_3,\ldots,f_n(x))\cdot\{f_3(x)-f_3(\widetilde x)\} \\ & & \negthickspace\displaystyle +\ldots+ \\ & & \negthickspace\displaystyle +\,g_{y_n}(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),\eta_n)\cdot\{f_n(x)-f_n(\widetilde x)\} \end{array} \] mit geeigneten \( \eta_1,\ldots,\eta_n\in\mathbb R, \) wobei \[ |\eta_k-f_k(\widetilde x)|\le|f_k(x)-f_k(\widetilde x)|,\quad k=1,\ldots,n, \] richtig ist. Hiermit folgt für \( x\not=\widetilde x \) \[ \begin{array}{lll} \displaystyle \frac{h(x)-h(\widetilde x)}{x-\widetilde x}\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle g_{y_1}(\eta_1,f_2(x),f_3(x),\ldots,f_n(x))\cdot\frac{f_1(x)-f_1(\widetilde x)}{x-\widetilde x} \\ & & \negthickspace\displaystyle +\ldots+ \\ & & \negthickspace\displaystyle +\,g_{y_n}(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),\eta_n)\cdot\frac{f_n(x)-f_n(\widetilde x)}{x-\widetilde x}\,, \end{array} \] und wegen \( f_k\in C^1((a,b),\mathbb R) \) für \( k=1,\ldots,n \) und \( g\in C^1(\Theta,\mathbb R) \) folgt nach Grenzübergang \( x\to\widetilde x \) \[ \begin{array}{lll} \displaystyle \lim_{x\to\widetilde x}\,\frac{h(x)-h(\widetilde x)}{x-\widetilde x}\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle g_{y_1}(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),f_n(\widetilde x))\cdot f_1'(\widetilde x) \\ & & \negthickspace\displaystyle +\ldots+ \\ & & \negthickspace\displaystyle +\,g_{y_n}(f_1(\widetilde x),f_2(\widetilde x),\ldots,f_{n-1}(\widetilde x),f_n(\widetilde x))\cdot f'_n(\widetilde x). \end{array} \] Das beweist den Satz.\( \qquad\Box \)

 

 

Bemerkung: Unter Benutzung der Funktionalmatrix \( \partial f(x) \) können wir auch kompakt schreiben \[ \partial h(x)=\partial g(f(x))\circ\partial f(x), \] wobei \( \partial g\in\mathbb R^{1\times n} \) und \( \partial f\in\mathbb R^{n\times m}, \) damit also \( \partial h\in\mathbb R^{1\times m}. \)

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.1.2 Der Mittelwertsatz

 

Wir wollen nun den aus der Analysis 1 bekannten Mittelwertsatz auf reellwertige Funktionen mehrerer Veränderlicher übertragen.

 

Satz: Auf der offenen Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) sei \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) gegeben. Seien ferner \( x',x''\in\Omega \) zwei Punkte mit der Eigenschaft \[ (1-\lambda)x'+\lambda x''\in\Omega\quad\mbox{für alle}\ \lambda\in[0,1]. \] Dann existieren ein \( \widetilde x\in\Omega \) und ein \( \widetilde\lambda\in(0,1) \) mit \[ \begin{array}{l} \displaystyle (1-\widetilde\lambda)x'+\widetilde\lambda x''=\widetilde x\quad\mbox{sowie} \\ \displaystyle f(x')-f(x'')=\sum_{k=1}^nf_{x_k}(\widetilde x)(x_k'-x_k''). \end{array} \]

 

Beweis

 

Betrachte die Funktion \[ g(\lambda):=f((1-\lambda)x'+\lambda x''),\quad\lambda\in[0,1], \] aus der Regularitätsklasse \( C^0([0,1],\mathbb R)\cap C^1((0,1),\mathbb R). \) Der gewöhnliche Mittelwertsatz liefert zunächst ein \( \widetilde\lambda\in(0,1) \) mit \[ f(x'')-f(x')=g(1)-g(0)=g'(\widetilde\lambda). \] Die Ableitung \( g'(\lambda) \) berechnet sich andererseits mit der Kettenregel aus Paragraph 13.1.1 wie folgt \[ \begin{array}{lll} g'(\lambda)\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle \frac{d}{d\lambda}\,f(x_1'+\lambda(x_1''-x_1'),\ldots,x_m'+\lambda(x_m''-x_m')) \\ & = & \negthickspace\displaystyle f_{x_1}(x'+\lambda(x''-x'))\cdot(x_1''-x_1')+\ldots+f_{x_m}(x'+\lambda(x''-x'))\cdot(x_m''-x_m'). \end{array} \] Zusammen mit der vorigen Identität für \( g'(\widetilde\lambda) \) folgt also \[ f(x'')-f(x') =\sum_{k=1}^mf_{x_k}(x''+\widetilde\lambda(x''-x'))\cdot(x_k''-x_k'). \] Mit der Setzung \[ \widetilde x:=x''+\widetilde\lambda(x''-x') \] erhalten wir die Behauptung.\( \qquad\Box \)

 

 

Die hier auftretende Menge \[ \mbox{Conv}\,(x',x''):=\{x\in\mathbb R^m\,:\,x=(1-\lambda)x'+\lambda x'',\ \lambda\in[0,1]\} \] bezeichnet man als die konvexe Hülle der Punkte \( x' \) und \( x''. \)

 

Definition: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R). \) Dann heißt \[ \nabla f(x):=(f_{x_1}(x),\ldots,f_{x_m}(x))\in\mathbb R^m \] der Gradient der Funktion \( f(x). \)

 

Eine weitere übliche Bezeichnung für den Gradienten ist \( \mbox{grad}\,f(x). \)

 

Bemerkung: Der Mittelwertsatz lässt sich nun wie folgt schreiben \[ f(x'')-f(x')=\langle\nabla f(\widetilde x),x''-x'\rangle \] mit dem Euklidischen Skalarprodukt \( \langle\cdot,\cdot\rangle. \)

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.1.3 Richtungsableitungen

 

Definition: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) eine Funktion. Sei ferner \[ v\in\mathbb R^m \quad\mbox{mit}\quad \|v\|_2=\sqrt{v_1^2+v_2^2+\ldots+v_m^2}=1 \] ein Einheitsvektor (statt \( \|v\|_2 \) schreiben wir oft einfach \( |v| \)). Wir setzen außerdem \[ \Phi(t):=f(x+tv),\quad t\in(-\varepsilon,\varepsilon)\ \mbox{mit}\ \varepsilon\gt 0. \] Dann heißt \[ \frac{\partial f(x)}{\partial v}:=\Phi'(0) \] die Richtungsableitung von \( f(x) \) in \( x\in\Omega \) in Richtung \( v\in\mathbb R^m. \)

 

Bemerkung: Wir verifizieren sofort \[ \Phi'(0)=\langle\nabla f(x),v\rangle\,. \]

 

Wegen der Definition des Euklidischen Skalarprodukts erkennen wir \[ -|\nabla f(x)|\le\frac{\partial f(x)}{\partial v}\le|\nabla f(x)| \] für alle \( x\in\mathbb R^m \) und alle \( v\in\mathbb R^m \) mit \( |v|=1. \) Im Falle \( |\nabla f(x)|\gt 0 \) gilt hierbei Gleichheit genau dann, wenn \[ v=-\,\frac{\nabla f(x)}{|\nabla f(x)|} \quad\mbox{oder}\quad v=+\,\frac{\nabla f(x)}{|\nabla f(x)|}\,. \] Wir merken uns also:

\( \to \) Der Gradient \( \nabla f(x)\not=0 \) einer Funktion \( f(x) \) zeigt stets in Richtung ihres „größten Anstiegs“ und steht senkrecht auf der Niveaufläche

\[ \{z\in\mathbb R^m\,:\,f(z)=C\} \]

  durch den Punkt \( x\in\Omega \) zum Niveau \( C\in\mathbb R. \)

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.1.4 Partielle Differenzierbarkeit und Stetigkeit

 

Wir wollen die Begriffe der partiellen Differenzierbarkeit und der Stetigkeit miteinander vergleichen. Dazu betrachten wir das Beispiel der Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle \frac{2xy}{x^2+y^2}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ \displaystyle 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right.. \] Diese Funktion ist in \( \mathbb R^2\setminus\{(0,0)\} \) stetig, in \( (0,0) \) selbst aber nicht stetig. Zur Ermittlung ihrer partiellen Ableitungen im Ursprung berechnen wir \[ \frac{f(h,0)-f(0,0)}{h-0}=\frac{0-0}{h}=0,\quad \frac{f(0,k)-f(0,0)}{k-0}=\frac{0-0}{k}=0 \] mit \( h,k\in\mathbb R\setminus\{0\}. \) Im Grenzfall \( h,k\to 0 \) folgen also \[ \lim_{h\to 0,\ h\not=0}\frac{f(h,0)-f(0,0)}{h}=0,\quad \lim_{k\to 0,\ k\not=0}\frac{f(0,k)-f(0,0)}{k}=0 \] und damit \[ f_x(0,0)=0,\quad f_y(0,0)=0. \]

 

Bemerkung: Die Existenz der partiellen Ableitungen einer Funktion zieht nicht notwendig die Stetigkeit dieser Funktion nach sich.

 

Aus der Vorlesung Analysis 1 wissen wir, dass differenzierbare Funktionen \( f\colon\mathbb R\to\mathbb R \) notwendig stetig sind. Unser Beispiel belegt nun aber, dass der Begriff der partiellen Differenzierbarkeit noch keine angemessene Verallgemeinerung der Differenzierbarkeit für Funktionen in mehreren Veränderlichen darstellt.

 

Es gilt aber der folgende, unter Verwendung des Mittelwertsatzes zu beweisende

 

Satz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R^n). \) Dann gilt \( f\in C^0(\Omega,\mathbb R^n), \) d.h. \[ C^1(\Omega,\mathbb R^n)\subset C^0(\Omega,\mathbb R^n). \]

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.1.5 Aufgaben

 

Aufgaben - Die Kettenregel

 

Aufgabe 13.1.1: (Beispiel zu den Cauchy-Riemann-Gleichungen)

Betrachten Sie die partiell differenzierbaren Funktionen \( u,v\colon\mathbb R^2\to\mathbb R \) vermöge \[ u(x,y):=\sin x\cosh y,\quad v(x,y):=\cos x\sinh y. \] Verifizieren Sie \[ u_x(x,y)=v_y(x,y),\quad u_y(x,y)=-v_x(x,y) \quad\mbox{in}\ \mathbb R^2\,. \] Bemerkung: Die Differenzialgleichungen \( u_x=v_y \) und \( u_y=-v_x \) werden in der Theorie der komplexwertigen Funktionen nach A. Cauchy und B. Riemann benannt.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.2: (Differentiation von Polarkoordinaten)

Der Übergang von den gewöhnlichen kartesischen Koordinaten \( (x,y) \) in der Ebene \( \mathbb R^2 \) zu den sogenannten Polarkoordinaten \( (r,\varphi) \) wird vermittelt vermöge den Formeln \[ x(r,\varphi)=r\cos\varphi,\quad y(r,\varphi)=r\sin\varphi \] sowie den hierzu inversen Identitäten \( r=r(x,y) \) und \( \varphi=\varphi(x,y). \) Hierin bedeuten \( r\gt 0 \) die Radiuskoordinate und \( \varphi\in[0,2\pi) \) die Winkelkoordinate. Ermitteln Sie unter Verwendung der Kettenregel die folgenden partiellen Ableitungen:

(i) \( x_r, \) \( x_\varphi, \) \( y_r \) und \( y_\varphi \)
(ii) \( r_x, \) \( r_y, \) \( \varphi_x \) und \( \varphi_y \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.3: (Ableiten von Funktionen in Polarkoordinaten)

Wir betrachten eine Funktion \( f\in C^1(\mathbb R^2,\mathbb R) \) und führen wie in voriger Aufgabe 13.1.2 Polarkoordinaten ein gemäß \[ x(r,\varphi)=r\cos\varphi,\quad y(r,\varphi)=r\sin\varphi,\quad r\gt 0,\ \varphi\in[0,2\pi). \] Nach Ersetzen von \( (x,y) \) durch \( (r,\varphi) \) erhalten wir eine neue Funktionsdarstellung \[ f(x,y)=h(r\cos\varphi,r\sin\varphi) \] mit \( r=r(x,y) \) und \( \varphi=\varphi(x,y). \) Verifizieren Sie unter Benutzung der Kettenregel \[ f_x=h_r\cos\varphi-\frac{1}{r}\,h_\varphi\sin\varphi,\quad f_y=h_r\sin\varphi+\frac{1}{r}\,h_\varphi\cos\varphi. \]

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Der Mittelwertsatz

 

Aufgabe 13.1.4: (Berechnen von Gradienten)

Berechnen Sie die Gradienten der folgenden Funktionen \( f,g,h\colon\mathbb R^3\to\mathbb R, \) und werten Sie die Gradienten jeweils im angegebenen Punkt \( (x_0,y_0,z_0)\in\mathbb R^3 \) aus.

(i) \( f(x,y,z):=x^3y-yz^2+e^{xyz} \) und \( (x_0,y_0,z_0)=(1,1,1) \)
(ii) \( g(x,y,z):=\sqrt{1+x^2+y^2}-\ln(1+z^2) \) und \( (x_0,y_0,z_0)=(0,0,1) \)
(iii) \( h(x,y,z):=x^2\sin(y^2+z^2) \) und \( (x_0,y_0,z_0)=(1,2,3) \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.5: (Differentiation des Newtonpotentials)

Betrachte Sie die Funktion \[ V(x,y,z):=\frac{1}{\sqrt{x^2+y^2+z^2}}\,,\quad(x,y,z)\in\mathbb R^3\setminus\{(0,0,0)\}\,. \] Verifizieren Sie \[ \langle(x,y,z),\nabla V(x,y,z)\rangle=-V(x,y,z). \]

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Richtungsableitungen

 

Aufgabe 13.1.6: (Berechnen von Richtungsableitungen I)

Berechnen Sie die Richtungsableitung der Funktion \[ f\colon\mathbb R^2\longrightarrow\mathbb R \quad\mbox{vermöge}\quad f(x,y):=xy+ye^x \] im Punkt \( (x_0,y_0)=(1,2) \) in Richtung des Vektors \( v=\frac{1}{\sqrt{13}}\,(2,3). \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.7: (Berechnen von Richtungsableitungen II)

Berechnen Sie die Richtungsableitung der Funktion \[ f\colon\mathbb R^3\longrightarrow\mathbb R \quad\mbox{vermöge}\quad f(x,y,z):=xyz+3xy^2+z^3 \] im Punkt \( (x_0,y_0,z_0)=(1,2,0) \) in Richtung des Vektors \( v=\frac{1}{\sqrt{2}}\,(1,0,1). \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.8: (Gradienten auf Niveauflächen I)

Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^2 \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) eine Funktion. Mit einem \( \varepsilon\gt 0 \) sei ferner \[ c\colon(-\varepsilon,\varepsilon)\longrightarrow\Omega \quad\mbox{vermöge}\quad c(t)=(x(t),y(t)),\ t\in(-\varepsilon,\varepsilon) \] eine reguläre Kurvenparametrisierung, deren Bild folgende Eigenschaften besitze \[ f\circ c(t)=C,\quad t\in(-\varepsilon,\varepsilon). \] Beweisen Sie, dass dann gilt \[ \nabla f(x_0,y_0)\perp c'(0) \] mit \( (x_0,y_0):=c(0), \) d.h. der Gradient steht senkrecht auf der Niveaukurve.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.9: (Gradienten auf Niveauflächen II)

Betrachten Sie die Funktion \[ f\colon\mathbb R^2\longrightarrow\mathbb R \quad\mbox{vermöge}\quad f(x,y):=\sqrt{x^2+y^2}\,. \]

(i) Skizzieren Sie die Niveaulinien

\[ \{(x,y)\in\mathbb R^2\setminus\{(0,0)\}\,:\,f(x,y)=\mbox{const}\}. \]

  Welche Art von Niveaulinien besitzt \( f(x,y)? \)
(ii) Berechnen Sie den Gradienten \( \nabla f(x,y) \) für \( (x,y)\not=(0,0). \)
(iii) Verifizieren Sie, dass der Gradient stets senkrecht auf den Niveaulinien steht.
(iv) Ermitteln Sie die Richtungsableitung von \( f(x,y) \) in \( (x_0,y_0)=(1,0) \)
 
\( \circ \) in Richtung \( v=(1,0) \)
\( \circ \) in Richtung \( v=(0,1) \)
  Erläutern Sie kurz.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.10: (Aus der analytischen Geometrie)

Betrachten Sie die Funktion \[ h(x,y):=\frac{y}{1+x^2}\,,\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \]

(i) Berechnen Sie \( \nabla h(x,y) \) und insbesondere \( \nabla h(1,2). \)
(ii) Berechnen Sie die Richtungsableitungen von \( h(x,y) \) im Punkt \( (1,2) \) in die Richtungen \( v=\frac{1}{5}\,(3,4) \) und \( w=\frac{1}{\sqrt{2}}\,(-1,1). \)
(iii) In welchen normierten Richtungen ist im Punkt \( (1,2) \) der Anstieg von \( h(x,y) \)
  \( \circ\quad\mbox{maximal}\qquad\circ\quad\mbox{minimal}\qquad\circ\quad\mbox{gleich Null?} \)
  Wie lauten die zugehörigen Richtungsableitungen?

Wir stellen nun das Bild der von \( h(x,y) \) erzeugten Fläche parametrisch dar vermöge \[ f(x,y)=(x,y,h(x,y)),\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \]

(iv) Berechnen Sie die Tangentialvektoren \( f_x(1,2) \) und \( f_y(1,2) \) sowie die Funktionalmatrix \( \partial f(1,2). \) Ist die gegebene Parametrisierung im Punkt \( (1,2) \) regulär?
(v) Verifizieren Sie, dass der Vektor

\[ N:=(-\nabla h(1,2),1)\in\mathbb R^3 \]

  senkrecht auf den Tangentialvektoren \( f_x(1,2) \) und \( f_y(1,2) \) steht.
(vi) Bestimmen Sie die Tangentialebene der Fläche im Punkt \( (x_0,y_0)=(1,2), \) und zwar
 
\( \circ \) einmal in Punkt-Richtungs-Form

\[ (x,y,z)=U+sV+tW \]

 
  mit Vektoren \( U,V,W\in\mathbb R^3 \) und \( s,t\in\mathbb R, \)
\( \circ \) und zweitens in der algebraischen Form

\[ ax+by+cz=d \]

 
  mit \( a,b,c,d\in\mathbb R \) geeignet.

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Partielle Differenzierbarkeit und Stetigkeit

 

Aufgabe 13.1.11: (Partielle Differenzierbarkeit und Stetigkeit I)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle \frac{xy^2}{x^2+y^4}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ \displaystyle 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right. \]

(i) Ist \( f(x,y) \) in \( (x_0,y_0)=(0,0) \) stetig? Begründen Sie.
(ii) Ist \( f(x,y) \) in \( (x_0,y_0)=(0,0) \) partiell differenzierbar? Begründen Sie, und berechnen Sie ggf. die partiellen Ableitungen \( f_x(0,0) \) und \( f_y(0,0). \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.12: (Partielle Differenzierbarkeit und Stetigkeit II)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle (x^2+y^2)\sin\frac{1}{x^2+y^2}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ \displaystyle 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right. \]

(i) Ist \( f(x,y) \) in \( (x_0,y_0)=(0,0) \) stetig? Begründen Sie.
(ii) Ist \( f(x,y) \) in \( (x_0,y_0)=(0,0) \) partiell differenzierbar? Begründen Sie, und berechnen Sie ggf. die partiellen Ableitungen \( f_x(0,0) \) und \( f_y(0,0). \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.1.13: (Stetig partielle Differenzierbarkeit impliziert Stetigkeit)

Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R^n). \) Beweisen Sie, dass dann gilt \( f\in C^0(\Omega,\mathbb R^n). \)

 

Lösung

 

 

 


 

 

13.1.6 Wiederholungsfragen

 

1. Wie lautet die Kettenregel für Abbildungen \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n? \)
2. Was versteht man unter der konvexen Hülle zweier Punkte \( x',x''\in\Omega? \)
3. Wie lautet der Mittelwertsatz für Abbildungen \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n? \)
4. Wie ist die Richtungsableitung einer Funktion \( f\colon\Omega\to\mathbb R \) definiert?
5. Was versteht man unter dem Gradienten einer Funktion \( f\colon\Omega\to\mathbb R? \)
6. Besteht ein Zusammenhang zwischen partieller Differenzierbarkeit und Stetigkeit?
7. Welcher Zusammenhang besteht zwischen \( C^0(\Omega,\mathbb R^n) \) und \( C^1(\Omega,\mathbb R^n)? \)

 


 

13.2 Vollständige Differenzierbarkeit

 

13.2.1 Definition der vollständigen Differenzierbarkeit

 

Eine differenzierbare Funktion \( f\colon\mathbb R\to\mathbb R \) in einer reellen Veränderlichen genügt nach unserer Vorlesung Analysis 1 der folgenden ➝ Entwicklung \[ f(x_0+h)=f(x_0)+f'(x_0)h+\varphi(x)h,\quad x\in\mathbb R, \] mit einer stetigen Funktion \( \varphi\colon\mathbb R\to\mathbb R \) mit \( \varphi(x_0)=0. \) Nach O. Stolz machen wir nun im Falle mehrerer Veränderlicher die folgende

 

Definition: Es sei \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen. Dann heißt die Abbildung \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) im Punkt \( x_0\in\Omega \) total oder vollständig differenzierbar, wenn eine lineare Abbildung \[ \mathbb R^m\ni h^t\mapsto{\mathbf A}(x_0)\circ h^t\in\mathbb R^n \] existiert mit \( {\mathbf A}(x_0)\in\mathbb R^{n\times m}, \) so dass mit einem hinreichend kleinen \( \varepsilon\gt 0 \) gilt \[ f(x_0+h)=f(x_0)+{\mathbf A}(x_0)\circ h^t+{\mathbf F}(x_0,h)\circ h^t \] für alle \( h\in\mathbb R^m \) mit \( 0\lt|h|\lt\varepsilon\) und einem Restterm \( {\mathbf F}(x_0,h)\in\mathbb R^{n\times m} \) mit der Eigenschaft \[ \lim_{h\to 0,\ h\not=0}{\mathbf F}(x_0,h)={\mathbf 0}. \] Es heißt \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) total oder vollständig differenzierbar in \( \Omega, \) falls \( f(x) \) vollständig differenzierbar in jedem Punkt \( x\in\Omega \) ist.

 

Bemerkung: In dieser Definition bedeutet \( h\in\mathbb R^m \) ein Zeilenvektor. Mit \( |h| \) bezeichnen wir abkürzend die Euklidische Norm \( \|h\|_2 \) oder auch irgend eine dazu äquivalente Norm im \( \mathbb R^m. \)

 

Bemerkung: Man kann zeigen, dass die Matrix \( {\mathbf A}(x) \) eindeutig bestimmt ist.

 

Die im ➝ obigen Paragraphen aufgeworfene Frage nach der Stetigkeit beantwortet nun der

 

Satz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) vollständig differenzierbar in \( \Omega. \) Dann gilt \[ f\in C^0(\Omega,\mathbb R^n). \]

 

Einen Beweis dieser Aussage belassen wir als Übung.

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.2.2 Partielle Differenzierbarkeit und vollständige Differenzierbarkeit

 

In diesem Paragraphen beweisen wir die folgenden beiden Aussagen:

\( \circ \) vollständige Differenzierbarkeit impliziert partielle Differenzierbarkeit,
\( \circ \) und stetig partielle Differenzierbarkeit impliziert vollständige Differenzierbarkeit.

 

Wir beginnen mit dem ersten Punkt und untersuchen dabei, welcher Zusammenhang zwischen der Matrix \( {\mathbf A}(x) \) und der Funktionalmatrix \( \partial f(x) \) besteht.

 

Satz: Auf der offenen Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) sei die Funktion \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) vollständig differenzierbar vermöge \[ f(x+h)=f(x)+{\mathbf A}(x)\circ h^t+{\mathbf F}(x,h)\circ h^t\quad\mbox{in}\ \Omega \] mit \( h\in\mathbb R^m \) und \( 0\lt|h|\lt\varepsilon \) mit \( \varepsilon\gt 0 \) hinreichend klein, sowie Matrizen \[ {\mathbf A}(x)=(A_{ij})_{\substack{i=1,\ldots,n \\ j=1,\ldots,m}}\in\mathbb R^{n\times m}\,,\quad {\mathbf F}(x,h)=(F_{ij})_{\substack{i=1,\ldots,n \\ j=1,\ldots,m}}\in\mathbb R^{n\times m} \] mit den Eigenschaften aus obiger ➝ Definition der vollständigen Differenzierbarkeit. Dann ist \( f(x) \) in \( \Omega \) auch partiell differenzierbar mit den partiellen Ableitungen \[ \frac{\partial f(x)}{\partial x_j}=(A_{ij})_{i=1,\ldots,n}\,,\quad j=1,\ldots,m, \] d.h. es gilt \( {\mathbf A}(x)=\partial f(x). \)

 

Beweis

 

Mit hinreichend kleinem \( \varepsilon\gt 0 \) betrachten wir den Vektor \( h=\varepsilon e_j \) mit dem \( j \)-ten Einheitsvektor \( e_j=(0,\ldots,0,1,0,\ldots,0)\in\mathbb R^m. \) Dann berechnen wir \[ \begin{array}{l} \displaystyle \lim_{\varepsilon\to 0}\frac{f(x_1,\ldots,x_{j-1},x_j+\varepsilon,x_{j+1},\ldots,x_m)-f(x_1,\ldots,x_{j-1},x_j,x_{j+1},\ldots,x_m)}{\varepsilon} \\ \qquad\displaystyle =\,\lim_{\varepsilon\to 0}\frac{1}{\varepsilon}\,\big\{{\mathbf A}(x)\circ h^t+{\mathbf F}(x,h)\circ h^t\big\} \\ \qquad\displaystyle =\,\lim_{\varepsilon\to 0}\frac{1}{\varepsilon}\,\big\{\varepsilon(A_{ij})_{i=1,\ldots,n}+\varepsilon(F_{ij})_{i=1,\ldots,n}\big\} \\ \qquad\displaystyle =\,\lim_{\varepsilon\to 0}\big\{(A_{ij})_{i=1,\ldots,n}+(F_{ij})_{i=1,\ldots,n}\big\} \\ \qquad\displaystyle =\,\lim_{\varepsilon\to 0}(A_{ij})_{i=1,\ldots,n}+\lim_{\varepsilon\to 0}(F_{ij})_{i=1,\ldots,n} \\ \qquad\displaystyle =\,(A_{ij})_{i=1,\ldots,n}\,. \end{array} \] Daraus folgt die Behauptung.\( \qquad\Box \)

 

 

Bemerkung: Nach K.G.J. Jacobi (1804 bis 1851) bezeichnet man den Ausdruck \( \partial f(x)\circ h^t \) auch als totales bzw. vollständiges Differential, siehe dazu unseren ➝ späteren Paragraphen.

 

Und nun zum zweiten Punkt.

 

Satz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R^n), \) d.h. \( \partial_jf\in C^0(\Omega,\mathbb R^n) \) für alle \( j=1,\ldots,m. \) Dann ist \( f(x) \) in \( \Omega \) vollständig differenzierbar, d.h. genauer gilt \[ f(x+h)=f(x)+\partial f(x)\circ h^t+{\mathbf F}(x,h)\circ h^t\,,\quad x\in\Omega, \] wobei \( h\in\mathbb R^m \) und \( 0\lt|h|\lt\varepsilon \) mit \( \varepsilon\gt 0 \) hinreichend klein, so dass \( \mbox{Conv}\,(x,x+h)\subset\Omega, \) ferner \[ {\mathbf F}(x,h)\in\mathbb R^{n\times m} \quad\mbox{mit}\quad \lim_{h\to 0,\ h\not=0}{\mathbf F}(x,h)={\mathbf 0}, \] und \( \partial f(x) \) bedeutet die Funktionalmatrix von \( f(x). \)

 

Beweis

 

Zunächst gelten \( f_j\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) für \( j=1,\ldots,n. \) Zu \( x\in\Omega \) existiert wegen der Offenheit ein \( \varepsilon\gt 0 \) mit \( B_\varepsilon(x)\subset\Omega. \) Für alle \( h\in\mathbb R^m \) mit \( 0\lt|h|\lt\varepsilon \) ist dann auch \( x+h\in B_\varepsilon(x). \) Nach dem Mittelwertsatz existieren also Punkte \( z^{(j)}\in\mbox{Conv}\,(x,x+h) \) mit \[ \begin{array}{lll} f_j(x+h)-f_j(x)\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle f_j(x_1+h_1,\ldots,x_m+h_m)-f(x_1,\ldots,x_m) \\ & = & \negthickspace\displaystyle \langle\nabla f_j(z^{(j)}),h\rangle\,. \end{array} \] Wir schreiben das wie folgt um \[ f_j(x+h)-f_j(x) =\langle\nabla f_j(x),h\rangle+\langle\nabla f_j(z^{(j)})-\nabla f_j(x),h\rangle\,. \] Der Gradient \( \nabla f_j(x) \) stimmt nun mit der \( j \)-ten Zeile der Matrix \( \partial f(x) \) überein. Wir müssen also nur noch \[ {\mathbf F}(x_0,h) :=\left( \begin{array}{c} \nabla f_1(z^{(1)})-\nabla f_1(x) \\ \vdots \\ \nabla f_n(z^{(n)})-\nabla f_n(x) \end{array} \right) \] setzen. Das beweist den Satz.\( \qquad\Box \)

 

 

Bemerkung: Auf die Stetigkeit der partiellen Ableitungen kann in diesem Satz nicht verzichtet werden, denn es existieren, ➝ wie wir gesehen haben, partiell differenzierbare, aber nicht stetige Funktionen. Andererseits impliziert die vollständige Differenzierbarkeit gerade die Stetigkeit.

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.2.3 Funktionen mit verschwindendem Gradienten auf Gebieten

 

Eine auf einem offenen Intervall \( (a,b)\subset\mathbb R \) gegebene Funktion \( f\colon\mathbb R\to\mathbb R \) mit verschwindender Ableitung \( f'(x)=0 \) ist konstant. Wir wollen diese Aussage auf Funktionen mit mehreren Veränderlichen übertragen. Dazu benötigen wir zunächst die

 

Definition: Eine offene und nichtleere Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) heißt ein Gebiet, wenn sie wegzusammenhängend ist, d.h. wenn zu je zwei Punkten \( x',x''\in\Omega \) eine stetige Abbildung \[ \varphi\colon[0,1]\longrightarrow\Omega,\quad \varphi\in C^0([0,1],\Omega), \] existiert mit \[ \varphi(0)=x'\,,\quad \varphi(1)=x''\,. \] Man sagt, die Punkte \( x' \) und \( x'' \) lassen sich durch einen stetigen Weg verbinden.

 

Satz: Seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) ein Gebiet und \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) eine Funktion mit der Eigenschaft \[ \nabla f(x)=0\quad\mbox{in}\ \Omega. \] Dann gilt \[ f(x)=\mbox{const}\quad\mbox{in}\ \Omega. \]

 

Beweis

 

Wir unterteilen unseren Beweis in zwei Schritte.

1. Wähle ein \( x\in\Omega \) beliebig. Da \( \Omega \) offen ist, existiert ein \( \varepsilon\gt 0 \) und damit auch ein offener Ball \( B_\varepsilon(x)\subset\Omega. \) Ist nun \( y\in B_\varepsilon(x), \) so finden wir nach dem Mittelwertsatz ein \( z\in B_\varepsilon(x) \) mit

\[ f(y)-f(x)=\langle\nabla f(z),y-x\rangle=0, \]

  da \( \nabla f(x)=0 \) in \( \Omega \) vorausgesetzt ist. Es folgt

\[ f(x)=f(y)\quad\mbox{für alle}\ y\in B_\varepsilon(x). \]

2. Wähle nun \( x,y\in\Omega \) beliebig. Da \( \Omega \) ein Gebiet ist, existiert eine Abbildung

\[ \varphi\in C^0([0,1],\Omega)\quad\mbox{mit}\quad\varphi(0)=x,\ \varphi(1)=y. \]

  Betrachte nun die stetige Funktion

\[ h(t):=f\circ\varphi(t),\quad t\in[0,1]. \]

  Es existiert ein \( t^*\in[0,1] \) derart maximal, so dass wegen der Stetigkeit gilt

\[ h(t)\equiv\mbox{const}\quad\mbox{für alle}\ t\in[0,t^*]. \]

  Angenommen, es ist \( t^*\lt 1. \) Nach dem ersten Beweisschritt existiert ein \( \varepsilon\gt 0 \) mit

\[ h(t)\equiv\mbox{const}\quad\mbox{für alle}\ t\in(t^*-\varepsilon,t^*+\varepsilon). \]

  Das widerspricht aber der maximalen Wahl von \( t^*, \) d.h. es muss \( t^*=1 \) richtig sein, was

\[ f(x)=f\circ\varphi(0)=h(0)=h(1)=f\circ\varphi(1)=f(y) \]

  nach sich zieht.

 

Damit ist der Satz bewiesen.\( \qquad\Box \)

 

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.2.4 Aufgaben

 

Aufgaben - Definition der vollständigen Differenzierbarkeit

 

Aufgabe 13.2.1: (Äquivalente Formulierung der vollständigen Differenzierbarkeit I)

Auf der offenen Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) betrachten wir eine Abbildung \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n. \) Beweisen Sie, dass \( f(x) \) im Punkt \( x_0\in\Omega \) genau dann vollständig differenzierbar ist, wenn eine lineare Abbildung \( L\colon\mathbb R^m\to\mathbb R^n \) existiert und ein Restterm \( r(x_0,h), \) so dass zu hinreichend kleinem \( \varepsilon\gt 0 \) gilt \[ f(x_0+h)=f(x_0)+L(x_0,h)+r(x_0,h) \] für alle \( h\in\mathbb R^m \) mit \( 0\lt\|h\|_2\lt\varepsilon \) und mit \[ \lim_{h\to 0,\ h\not=0}\frac{r(x_0,h)}{\|h\|_2}=0 \] mit der (hier willkürlich gewählten) Euklidischen Norm \( \|\cdot\|_2\colon\mathbb R^m\to[0,\infty). \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.2.2: (Äquivalente Formulierung der vollständigen Differenzierbarkeit II)

Auf der offenen Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) betrachten wir eine Abbildung \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n. \) Beweisen Sie, dass \( f(x) \) im Punkt \( x_0\in\Omega \) genau dann vollständig differenzierbar ist, wenn mit hinreichend kleinem \( \varepsilon\gt 0 \) gilt \[ \lim_{h\to 0,\ h\not=0}\,\frac{f(x_0+h)-f(x_0)-{\mathbf A}\circ h^t}{\|h\|_2}=0 \] für alle \( h\in\mathbb R^m \) mit \( 0\lt\|h\|_2\lt\varepsilon \) mit der (hierin willkürlich gewählten) Euklidischen Norm \( \|h\|_2. \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.2.3: (Beispiel zur vollständigen Differenzierbarkeit)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y):=x^2y,\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \] Zeigen Sie unter Zurückführung auf die Definition, dass \( f(x,y) \) in jedem Punkt \( (x,y)\in\mathbb R^2 \) vollständig differenzierbar ist.

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Partielle Differenzierbarkeit und vollständige Differenzierbarkeit

 

Aufgabe 13.2.4: (Vollständige Differenzierbarkeit I)

Betrachten Sie die Funktion \[ f(x,y):=2x-3y+xy-x^2y^3\,,\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \]

(i) In welchen Punkten \( (x,y)\in\mathbb R^2 \) ist \( f(x,y) \) stetig?
(ii) Berechnen Sie \( f_x(0,0) \) und \( f_y(0,0) \) durch Auswerten der Differenzenquotienten.
(iii) Berechnen Sie \( f_x(x,y) \) und \( f_y(x,y). \) Sind diese Ableitungen in \( (0,0) \) stetig?
(iv) Ist \( f(x,y) \) in \( (0,0) \) vollständig differenzierbar?

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.2.5: (Vollständige Differenzierbarkeit II)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle \frac{x^2y}{x^2+y^2}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right.. \]

(i) In welchen Punkten \( (x,y)\in\mathbb R^2 \) ist die Funktion stetig?
(ii) Berechnen Sie \( f_x(0,0) \) und \( f_y(0,0) \) durch Auswerten der Differenzenquotienten.
(iii) Berechnen Sie \( f_x(y,x) \) und \( f_y(x,y) \) für \( (x,y)\not=(0,0). \) Lassen sich diese Ableitungen stetig in den Punkt \( (0,0) \) fortsetzen?
(iv) Ist \( f(x,y) \) in \( (0,0) \) vollständig differenzierbar? Begründen Sie.

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Funktionen mit verschwindendem Gradienten auf Gebieten

 

Aufgabe 13.2.6: (Die Arkusfunktionen)

Die Arkusfunktionen sind die Umkehrfunktionen der auf Monotonieintervalle eingeschränkten Winkelfunktionen: \[ \begin{array}{l} \displaystyle \arcsin\colon[-1,1]\longrightarrow\left[-\,\frac{\pi}{2},\frac{\pi}{2}\right], \\ \displaystyle \arccos\colon[-1,1]\longrightarrow[0,\pi], \\ \displaystyle \arctan\colon(-\infty,\infty)\longrightarrow\left(-\,\frac{\pi}{2},\frac{\pi}{2}\right). \end{array} \]

(i) Skizzieren Sie diese drei Funktionen.
(ii) Beweisen Sie die folgenden Identitäten
 
\( \circ \) \( \arcsin(-x)=-\arcsin x \)
\( \circ \) \( \arccos(-x)=\pi-\arccos x \)
\( \circ \) \( \displaystyle\arccos x=\frac{\pi}{2}-\arcsin x \)
(iii) Beweisen Sie die folgenden Verknüpfungsregeln:
 
\( \circ \) \( \displaystyle\sin(\arccos x)=\sqrt{1-x^2} \)
\( \circ \) \( \displaystyle\cos(\arcsin x)=\sqrt{1-x^2} \)
\( \circ \) \( \displaystyle\sin(\arctan x)=\frac{x}{\sqrt{1+x^2}} \)
\( \circ \) \( \displaystyle\cos(\arctan x)=\frac{1}{\sqrt{1+x^2}} \)
  Hinweis zum ersten Punkt: Verwenden Sie \( y=\arccos x, \) \( y\in[0,\pi], \) und \( \sin y=\sqrt{1-\cos^2y}. \)
(iv) Beweisen Sie die folgenden Ableitungsregeln:
 
\( \circ \) \( \displaystyle\frac{d}{dx}\,\arcsin x=\frac{1}{\sqrt{1-x^2}} \)
\( \circ \) \( \displaystyle\frac{d}{dx}\,\arctan x=\frac{1}{1+x^2} \)

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.2.7: (Additionstheorem für den Arkustangens)

Beweisen Sie unter Verwendung des Satzes aus Paragraph 13.2.3 die Identität \[ \arctan\frac{x+y}{1-xy}=\arctan x+\arctan y \] für alle \( x,y\in\mathbb R \) mit \( xy\not=1 \) und \( |\arctan x+\arctan y|\lt\frac{\pi}{2}. \)

 

Lösung

 

 

 


 

 

13.2.5 Wiederholungsfragen

 

1. Wann heißt eine Abbildung \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) vollständig differenzierbar in einem Punkt \( x_0\in\Omega \) bzw. vollständig differenzierbar in \( \Omega? \)
2. Benennen Sie einen Zusammenhang zwischen vollständiger Differenzierbarkeit und Stetigkeit.
3. Benennen Sie einen Zusammenhang zwischen vollständiger und partieller Differenzierbarkeit.
4. Benennen Sie einen Zusammenhang zwischen stetig partieller und vollständiger Differenzierkeit.
5. Was versteht man unter einem Gebiet?
6. Formulieren Sie den Satz aus Paragraph 13.2.3.

 


 

13.3 Ableitungen höherer Ordnung

 

13.3.1 Definition höherer Ableitungen

 

Wir beginnen mit der

 

Definition: Auf der offenen Menge \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) sei die Abbildung \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n \) gegeben. Wir setzen \[ f_{x_{i_1}}(x):=\frac{\partial f(x)}{\partial x_{i_1}}\,,\quad f_{x_{i_1}x_{i_2}}(x):=\frac{\partial}{\partial x_{i_2}}\,\frac{\partial f(x)}{\partial x_{i_1}}\equiv\frac{\partial^2f(x)}{\partial x_{i_2}\partial x_{i_1}} \quad\mbox{usw.} \] bzw. allgemein als partielle Ableitung von \( f(x) \) der Ordnung \( k\in\mathbb N_0 \) \[ f_{x_{i_1}\ldots x_{i_k}}(x) :=\frac{\partial^kf(x)}{\partial x_{i_k}\partial x_{i_{k-1}}\ldots\partial x_{i_1}}\,. \]

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.3.2 Der Satz von Schwarz

 

Wir wollen nun der Frage nachgehen, unter welchen Bedingungen beispielsweise gilt \[ f_{x_1x_2x_3\ldots x_k}=f_{x_2x_1x_3\ldots x_k}\,. \] Der Satz von Schwarz, auf den wir zu diesem Zweck hinarbeiten wollen, wird mit den folgenden zwei Hilfssätzen vorbereitet.

 

Hilfssatz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^2 \) offen und \( f\colon\Omega\to\mathbb R \) eine Funktion, deren partielle Ableitungen \( f_x(x,y) \) und \( f_{xy}(x,y) \) in \( \Omega \) existieren. Außerdem sei \( f_{xy}(x,y) \) stetig in einem Punkt \( (x_0,y_0)\in\Omega. \) Dann gilt \[ f_{xy}(x_0,y_0) =\lim_{\substack{x\to x_0,\ x\not=x_0 \\ y\to y_0,\ y\not=y_0}} \frac{f(x,y)-f(x_0,y)-f(x,y_0)+f(x_0,y_0)}{(x-x_0)(y-y_0)}\,. \]

 

Beweis

 

Wir gehen in mehreren Schritten vor.

1. Da \( \Omega\subseteq\mathbb R^2 \) offen ist, existiert ein \( \varepsilon\gt 0 \) mit

\[ B_\varepsilon(x_0,y_0):=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,(x-x_0)^2+(y-y_0)^2\lt\varepsilon^2\}\subset\Omega. \]

  Wähle nun ein beliebiges \( (x,y)\in B_\varepsilon(x_0,y_0) \) mit \( x\not=x_0 \) und \( y\not=y_0, \) und setze

\[ \Phi(x,y;x_0,y_0):= \frac{f(x,y)-f(x_0,y)-f(x,y_0)+f(x_0,y_0)}{(x-x_0)(y-y_0)}\,. \]

2. Auf dem abgeschlossenen Intervall

\[ I:=[\mbox{min}\,\{x_0,x\},\mbox{max}\,\{x_0,x\}]\subset\mathbb R \]

  betrachten wir die Funktion

\[ \varphi(t):=f(t,y)-f(t,y_0),\quad t\in I. \]

  Mit dieser Funktion lässt sich \( \Phi(x,y;x_0,y_0) \) wie folgt ausdrücken

\[ \Phi(x,y;x_0,y_0)=\frac{\varphi(x)-\varphi(x_0)}{(x-x_0)(y-y_0)}\,. \]

  Da \( f_x(x,y) \) in \( \Omega \) existiert, ist \( \varphi(t) \) auf \( I \) stetig und im Inneren \( \mathring I \) differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz aus unserer Vorlesung Analysis 1 existiert also ein \( \xi\in\mathring I \) mit

\[ \Phi(x,y;x_0,y_0) =\frac{\varphi_x(\xi)}{y-y_0} =\frac{f_x(\xi,y)-f_x(\xi,y_0)}{y-y_0}\,. \]

3. Betrachte jetzt das abgeschlossene Intervall

\[ J:=[\mbox{min}\,\{y_0,y\},\mbox{max}\,\{y_0,y\}]\subset\mathbb R \]

  und darauf die Funktion

\[ \Psi(t):=f_x(\xi,t),\quad t\in J. \]

  Da \( f_{xy}(x,y) \) in \( \Omega \) existiert, ist \( \Psi \) auf \( J \) stetig und in \( \mathring J \) differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz existiert daher ein \( \eta\in\mathring J \) mit

\[ \begin{array}{lll} \Phi(x,y;x_0,y_0)\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle \frac{f_x(\xi,y)-f_x(\xi,y_0)}{y-y_0} \,=\,\frac{\Psi(y)-\Psi(y_0)}{y-y_0} \\ & = & \negthickspace\displaystyle \Psi'(\eta) \,=\,f_{xy}(\xi,\eta). \end{array} \]

4. Da im ersten Beweispunkt der Punkt \( (x,y)\in B_\varepsilon(x_0,y_0) \) beliebig mit \( x\not=x_0 \) und \( y\not=y_0 \) gewählt wurde, finden wir nun zu jedem Punkt \( (x,y)\in B_\varepsilon(x_0,y_0) \) mit dieser Eigenschaft ein \( (\xi,\eta) \) mit

\[ |\xi-x_0|\lt|x-x_0|,\quad |\eta-y|\lt|y-y_0| \quad\mbox{und}\quad \Phi(x,y;x_0,y_0)=f_{xy}(\xi,\eta). \]

  Nach Voraussetzung ist aber \( f_{xy}(x,y) \) in \( (x_0,y_0)\in\Omega \) stetig, und es folgt

\[ f_{xy}(x_0,y_0)=\lim_{\substack{x\to x_0,\ x\not=x_0 \\ y\to y_0,\ y\not=y_0}}\Phi(x,y;x_0,y_0). \]

 

Damit ist der Hilfssatz bewiesen.\( \qquad\Box \)

 

 

Hilfssatz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^2 \) offen und \( f\colon\Omega\to\mathbb R \) eine Funktion, deren partielle Ableitungen \( f_x(x,y), \) \( f_y(x,y) \) und \( f_{xy}(x,y) \) in \( \Omega \) existieren. Außerdem sei \( f_{xy}(x,y) \) stetig in einem Punkt \( (x_0,y_0)\in\Omega. \) Dann existiert auch die Ableitung \( f_{yx}(x_0,y_0), \) und es gilt \[ f_{xy}(x_0,y_0)=f_{yx}(x_0,y_0). \]

 

Beweis

 

Nach vorigem Hilfssatz haben wir nämlich \[ \begin{array}{lll} f_{xy}(x_0,y_0)\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle \lim_{\substack{x\to x_0,\ x\not=x_0 \\ y\to y_0,\ y\not=y_0}}\Phi(x,y;x_0,y_0) \\ & = & \negthickspace\displaystyle \lim_{x\to x_0,\ x\not=x_0}\left(\lim_{y\to y_0,\ y\not=y_0}\Phi(x,y;x_0,y_0)\right) \\ & = & \negthickspace\displaystyle \lim_{x\to x_0,\ x\not=x_0}\frac{f_y(x,y_0)-f_y(x_0,y_0)}{x-x_0} \\ & = & \negthickspace\displaystyle f_{yx}(x_0,y_0), \end{array} \] wobei wir in der dritten Zeile die Existenz von \( f_y(x,y) \) ausgenutzt haben - siehe die Definition von \( \Phi(x,y;x_0,y_0). \) Das war zu zeigen.\( \qquad\Box \)

 

 

Jetzt können wir den Satz von Schwarz formulieren, der unmittelbar aus vorigem Hilfssatz folgt.

 

Satz: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^2 \) eine offene Menge und \( f\colon\Omega\to\mathbb R \) eine Funktion, deren partielle Ableitungen \( f_x(x,y), \) \( f_y(x,y) \) und \( f_{xy}(x,y) \) in \( \Omega \) stetig sind. Dann existiert auch die partielle Ableitung \( f_{yx}(x,y) \) in \( \Omega, \) und es gilt \[ f_{xy}(x,y)=f_{yx}(x,y)\quad\mbox{in}\ \Omega. \]

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.3.3 Ein Beispiel

 

Betrachte die auf \( \mathbb R^2 \) stetige Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle xy\,\frac{x^2-y^2}{x^2+y^2}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right.. \] Wir werden zeigen \[ f_{xy}(0,0)=-1,\quad f_{yx}(0,0)=+1. \]

1. Zunächst führen wir Polarkoordinaten ein

\[ x(r,\varphi)=r\cos\varphi,\quad y(r,\varphi)=r\sin\varphi \]

  mit \( r\gt 0 \) und \( \varphi\in[0,2\pi). \) Beachte, dass diese Transformation in \( (x,y)=(0,0) \) nicht regulär ist.
2. Setze \( (r,\varphi) \) in \( f(x,y) \) wie folgt ein

\[ f(x,y) =xy\,\frac{r^2\cos^2\varphi-r^2\sin^2\varphi}{r^2\cos^2\varphi+r^2\sin^2\varphi} =xy\cdot\cos 2\varphi,\quad (x,y)\not=(0,0), \]

  wegen \( \cos 2\varphi=\cos^2\varphi-\sin^2\varphi. \) Außerhalb von \( (0,0) \) können wir eindeutig umstellen zu

\[ r=r(x,y),\quad \varphi=\varphi(x,y), \]

  also

\[ f(x,y)=xy\cos 2\varphi(x,y),\quad(x,y)\not=(0,0). \tag{\(*\)} \]

3. Aus den Übungen wissen wir bereits

\[ \varphi_x=-\,\frac{1}{r}\,\sin\varphi,\quad \varphi_y=\frac{1}{r}\,\cos\varphi. \]

  Damit können wir \( f(x,y) \) aus \( (*) \) differenzieren:

\[ \begin{array}{lll} f_x\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle y\cos 2\varphi-2xy\varphi_x\sin 2\varphi \\ & = & \negthickspace\displaystyle y\cos 2\varphi+\frac{2xy}{\sqrt{x^2+y^2}}\,\sin\varphi\sin 2\varphi \end{array} \]

  sowie

\[ \begin{array}{lll} f_y\negthickspace & = & \negthickspace\displaystyle x\cos 2\varphi-2xy\varphi_y\sin 2\varphi \\ & = & \negthickspace\displaystyle x\cos 2\varphi-\frac{2xy}{\sqrt{x^2+y^2}}\,\cos\varphi\sin 2\varphi. \end{array} \]

  Hieraus schließen wir
 
\( \circ \) \( f_x(x,y) \) und \( f_y(x,y) \) sind stetig in ganz \( \mathbb R^2, \) d.h. es ist auch \( f\in C^1(\mathbb R^2,\mathbb R), \)
\( \circ \) es ist \( \nabla f(0,0)=(0,0). \)
  Wir ermitteln aber auch

\[ f_x(0,y)=y\cos 2\varphi(0,y)=-y,\quad\mbox{falls}\ y\not=0, \]

  wegen \( x=r\cos\varphi \) mit \( r\gt 0, \) also \( 0=\cos\varphi(0,y), \) d.h. \( \varphi(0,y)=\frac{\pi}{2}, \) sowie

\[ f_y(x,0)=x\cos 2\varphi(x,0)=x,\quad\mbox{falls}\ x\not=0, \]

  wegen \( y=r\sin\varphi \) mit \( r\gt 0, \) also \( 0=\sin\varphi(x,0), \) d.h. \( \varphi(x,0)=0. \)
4. Die beiden letzten Identitäten erlauben jetzt nach Anwendung der entsprechenden Differenzenquotienten die Bestimmung der zweiten Ableitungen im Koordinatenursprung, nämlich

\[ f_{xy}(0,0)=-1,\quad f_{yx}(0,0)=+1. \] Nach dem Satz von Schwarz muss also notwendig die gemischte zweite Ableitung \( f_{xy}(x,y) \) in \( (0,0) \) unstetig sein.

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.3.4 Vollständige Differenziale

 

Definition: Es sei \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) eine offene Menge. Unter dem vollständigen Differenzial oder kurz Differenzial einer Funktion \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) im Punkt \( x_0\in\Omega, \) in Zeichen \[ df(x_0,h),\quad x_0\in\Omega,\ h=(h_1,\ldots,h_m)\in\mathbb R^m\,, \] verstehen wir die in \( h\in\mathbb R^m \) lineare Form \[ df(x_0,h):=\sum_{k=1}^mf_{x_k}(x_0)h_k\,. \]

 

Bemerkung: Nach dem Mittelwertsatz ist \[ f(x'')-f(x') =\langle\nabla f(z),x''-x'\rangle =df(z,x''-x') \] mit \( z\in\mbox{Conv}\,(x',x'') \) geeignet.

 

Bemerkung: Für Funktionen \( f\in C^1(\Omega,\mathbb R) \) besagt die ➝ Definition der vollständigen Differenzierbarkeit \[ f(x_0+h)=f(x_0)+{\mathbf A}(x_0)\circ h^t+{\mathbf F}(x_0,h)\circ h^t \] mit \( {\mathbf A}(x_0)\circ h^t=\langle\nabla f(x_0),h\rangle. \) Der lineare Anteil auf der rechten Seite entspricht also genau dem Differenzial der Funktion in \( x_0\in\Omega. \)

 

Um im Folgenden Differenziale höherer Ordnung einzuführen, benötigen wir die

 

Definition: Es sei \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen. Dann verstehen wir unter \[ C^k(\Omega,\mathbb R^n) \] die Menge aller Abbildungen \( f\colon\Omega\to\mathbb R^n, \) deren sämtliche partiellen Ableitungen bis zur Ordnung \( k\in\mathbb N \) einschließlich in \( \Omega \) existieren und in \( \Omega \) auch stetig sind. Ferner setzen wir \[ C^\infty(\Omega,\mathbb R^n):=\bigcap_{k=0}^\infty C^k(\Omega,\mathbb R^n). \]

 

Bemerkung: Die Räume \( C^k(\Omega,\mathbb R^n) \) und \( C^\infty(\Omega,\mathbb R^n) \) sind lineare Räume.

 

Damit kommen wir zur

 

Definition: Es seien \( \Omega\subseteq\mathbb R^m \) offen und \( f\in C^k(\Omega,\mathbb R) \) eine Funktion. Als (vollständiges) Differenzial der Ordnung \( k\in\mathbb N \) von \( f(x) \) im Punkt \( x_0\in\Omega \) verstehen wir den Ausdruck \[ d^kf(x_0,h) :=\left(\sum_{\ell=1}^mh_\ell\partial_{x_\ell}\right)^kf(x)\,\Big|_{x=x_0} =\sum_{\ell_1,\ldots,\ell_k=1}^m\frac{\partial^kf(x_0)}{\partial x_{\ell_1}\cdot\ldots\cdot\partial x_{\ell_k}}\,h_{\ell_1}\cdot\ldots\cdot h_{\ell_k}\,. \]

 

Beispiel: Sei \( f\in C^2(\mathbb R^2,\mathbb R). \) Dann berechnen wir \[ \begin{array}{lll} df(x,y;h_1,h_2)\negthickspace & = & \negthickspace (h_1\partial_x+h_2\partial_y)f(x,y) \\ & = & \negthickspace f_x(x,y)h_1+f_y(x,y)h_2 \end{array} \] sowie unter Verwendung des Satzes von Schwarz \[ \begin{array}{lll} d^2f(x,y;h_1,h_2)\negthickspace & = & \negthickspace (h_1\partial_x+h_2\partial_y)^2f(x,y) \\ & = & \negthickspace f_{xx}(x,y)h_1^2+2f_{xy}(x,y)h_1h_2+f_{yy}(x,y)h_2^2\,. \end{array} \]

 

Aufgaben zu diesem Abschnitt

 


 

 

13.3.5 Aufgaben

 

Aufgaben - Definition höherer Ableitungen

 

Aufgabe 13.3.1: (Beispiel einer Ableitung dritter Ordnung)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y):=2x-3y+xy-x^2y^3\,,\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \] Berechnen Sie sämtliche partiellen Ableitungen bis zur dritten Ordnung einschließlich.

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Der Satz von Schwarz

 

Aufgabe 13.3.2: (Noch einmal zum Newtonpotenzial)

Wir betrachten erneut die Funktion \[ V(x,y,z):=\frac{1}{\sqrt{x^2+y^2+z^2}}\,,\quad(x,y,z)\in\mathbb R^3\setminus\{(0,0,0)\}\,. \]

(i) Berechnen Sie sämtliche partiellen Ableitungen erster und zweiter Ordnung.
(ii) Verifizieren Sie die Identität (wir lassen das Argument \( (x,y,z) \) weg)

\[ \Delta V=V_{xx}+V_{yy}+V_{zz}=0\quad\mbox{in}\ \mathbb R^3\setminus\{(0,0,0)\} \] mit dem Laplaceoperator \( \Delta V \) (in Euklidischen Koordinaten).

 

Lösung

 

... muss noch nachgeholt werden ...

 

 

Aufgabe 13.3.3: (Laplaceoperator und radialsymmetrische Funktionen)

Es sei \( f\in C^2(\mathbb R^m,\mathbb R) \) eine radialsymmetrische Funktion, d.h. mit einer weiteren Funktion \( \Phi\colon[0,\infty)\to\mathbb R \) gelte \[ f(x)=\Phi(|x|) \quad\mbox{für alle}\ x\in\mathbb R^m\,, \ \quad\mbox{wobei}\ |x|=\sqrt{x_1^2+\ldots+x_m^2}\,. \] Ferner sei \( \Phi\in C^2((0,\infty),\mathbb R). \) Beweisen Sie \[ \Delta f(x)=\Phi''(|x|)+\frac{m-1}{|x|}\,\Phi'(|x|),\quad x\in\mathbb R^m\setminus\{0\}\,, \] mit dem Laplaceoperator (in Euklidischen Koordinaten) \[ \Delta f(x) :=\sum_{i=1}^m\frac{\partial^2f(x)}{\partial x_i^2} =f_{x_1x_1}(x)+\ldots+f_{x_mx_m}(x),\quad x\in\mathbb R^m\,. \]

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.4: (Produktregel für den Laplaceoperator)

Für zwei Funktionen \( f,g\in C^2(\mathbb R^m,\mathbb R) \) ist die Richtigkeit folgender Identität zu zeigen \[ \Delta(fg)=g\cdot\Delta f+2\,\langle\nabla f,\nabla g\rangle+f\cdot\Delta g\quad\mbox{in}\ \mathbb R^m\,. \]

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.5: (Harmonische Funktionen in \( \mathbb R^2 \))

Wie müssen \( a,b,c\in\mathbb R \) gewählt sein, damit die Funktion \[ f(x,y)=ax^2+2bxy+cy^2\,,\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,, \] harmonisch in \( \mathbb R^2 \) ist, d.h. der folgenden Laplacegleichung genügt \[ \Delta f(x,y)=0\quad\mbox{in}\ \mathbb R^2\,? \]

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.6: (Real- und Imaginärteil holomorpher Funktionen)

Mit Funktionen \( u,v\in C^2(\mathbb R^2,\mathbb R) \) betrachten wir die komplexwertige Abbildung \[ f(x,y):=u(x,y)+iv(x,y),\quad(x,y)\in\mathbb R^2\,. \] Es sei dabei \( f(x,y) \) holomorph, d.h. es gelten die Cauchy-Riemannschen Differenzialgleichungen \[ u_x(x,y)=v_y(x,y),\quad u_y(x,y)=-v_x(x,y) \quad\mbox{in}\ \mathbb R^2\,. \] Beweisen Sie, dass \( u(x,y) \) und \( v(x,y) \) harmonisch in \( \mathbb R^2 \) sind.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.7: (Beispiel einer radialsymmetrischen und harmonischen Funktion I)

Beweisen Sie, dass die Funktion \[ f(x,y):=\ln(x^2+y^2),\quad(x,y)\in\mathbb R^2\ \mbox{mit}\ x^2+y^2\gt 0, \] harmonisch ist.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.8: (Beispiel einer radialsymmetrischen und harmonischen Funktion II)

Es sei \( m\in\mathbb N\setminus\{1,2\}. \) Beweisen Sie, dass die Funktion \[ f(x):=|x|^{2-m}\,,\quad x\in\mathbb R^m\setminus\{0\}\,, \] für alle \( m=3,4,5,\ldots \) harmonisch ist.

 

Lösung

 

 

 

Aufgabe 13.3.9: (Homogene Funktionen und Eulersche Formel)

Die Funktion \( f\in C^2(\mathbb R^2,\mathbb R) \) genüge der Homogenitätsbedingung \[ f(tx,ty)=t^2f(x,y)\quad\mbox{für alle}\ (x,y)\in\mathbb R^2 \] mit einem Parameter \( t\in\mathbb R. \)

(i) Verfizieren Sie durch Differentiation nach \( t \) die Relationen

\[ \begin{array}{l} \displaystyle x\,\frac{\partial f(tx,ty)}{\partial x}+y\,\frac{\partial f(tx,ty)}{\partial y}=2tf(x,y), \\ \displaystyle x^2\,\frac{\partial^2f(tx,ty)}{\partial x^2}+2xy\,\frac{\partial^2f(tx,ty)}{\partial x\partial y}+y^2\,\frac{\partial^2f(tx,ty)}{\partial y^2} =2f(x,y). \end{array} \]

(ii) Die Eulerschen Homogenitätsrelationen erhalten Sie hieraus durch nachträgliches Setzen von \( t=1. \) Wie lauten also diese Relationen?
(iii) Geben Sie ein Beispiel einer solchen homogenen Funktion, und verifizieren Sie an dieser die Eulerschen Homogenitätsrelationen aus Aufgabenteil (ii).

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Ein Beispiel

 

Aufgabe 13.3.10: (Zum Satz von Schwarz)

Wir betrachten die Funktion \[ f(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} \displaystyle\frac{x^2y^2}{x^2+y^2}\,, & \mbox{falls}\ (x,y)\not=(0,0) \\ 0, & \mbox{falls}\ (x,y)=(0,0) \end{array} \right.. \]

(i) Beweisen Sie

\[ f_{xy}(0,0)=f_{yx}(0,0)=0. \]

(ii) Sind die Voraussetzungen des Satzes von Schwarz erfüllt? Erläutern Sie.

 

Lösung

 

 

 

Aufgaben - Vollständige Differenziale

 

Aufgabe 13.3.11: (Differenziale höherer Ordnung in \( \mathbb R^2 \) und \( \mathbb R^3 \))

(i) Es sei \( f\in C^2(\mathbb R^2,\mathbb R). \) Berechnen Sie die Differenziale

\[ df(x,y;h_1,h_2) \quad\mbox{und}\quad d^2f(x,y;h_1,h_2). \]

(ii) Es sei \( g\in C^2(\mathbb R^3,\mathbb R). \) Berechnen Sie die Differenziale

\[ dg(x,y,z;h_1,h_2,h_3) \quad\mbox{und}\quad d^2g(x,y,z;h_1,h_2,h_3). \]

 

Lösung

 

 

 


 

 

13.3.6 Wiederholungsfragen

 

1. Wiederholen Sie unsere Schreibweisen für partielle Ableitungen höherer Ordnung.
2. Wie lautet der Satz von Schwarz?
3. Was versteht man unter einem (vollständigen) Differenzial (erster Ordnung)?
4. Was versteht man unter einem Differenzial der Ordnung \( k? \)
5. Wie ist der Euklidische Laplaceoperator definiert?
6. Was versteht man unter einer harmonischen Funktion?